
Die Exponate aus verschiedenen bedeutenden europäischen Museen (Windsor
Castle, Uffizi Florenz, Albertina Wien) werden in der Neuen Pinakothek,
vereint mit dem Bestand der Staatlichen Graphischen Sammlung, dem
Besucher vorgestellt.
Zugleich präsentiert sich die Ausstellung als Schatzkammer kaum
bekannter, erlesener Kleingemälde, Zeichnungen, Miniaturen und
Kunstgewerbegegenstände, die von zahlreichen Museen als Leihgaben zur
Verfügung gestellt wurden.
Am Ende des 16. Jahrhunderts entfalteten sich die Schönen Künste am Hof
der bayerischen Herzöge in München zu großer Blüte. Herzog Wilhelm V.
(reg. 1579-1597) initiierte mehrere umfangreiche Projekte, und eine
rege Bautätigkeit zog die Beschäftigung namhafter Maler, Bildhauer und
Stukkateure nach sich. Die herzogliche Kunstkammer wurde mit erlesenen
Objekten bereichert, die in München hergestellt oder aus verschiedenen
Ländern über Agenten bezogen wurden. Durch verwandtschaftliche
Beziehungen bestand ohnehin ein enger Kontakt zwischen den einzelnen
Höfen in München, Innsbruck, Florenz und Prag. Wirtschaftlich und
kulturell war München mit der Familie Fugger in Augsburg und mit der
internationalen Handelsstadt Venedig verbunden.
In diesem Netz von internationalen Verknüpfungen spielten die
Niederländer auf fast allen Gebieten eine führende Rolle. Es waren
zunehmend politische und religiöse Gründe, die sie dazu brachten, ihre
Heimat zu verlassen und in der Fremde eine Existenz aufzubauen. Die
Künstler zogen dorthin, wo große Projekte von mächtigen Auftraggebern
Arbeit versprachen. Künstler wie Friedrich (Frederick, Federigo)
Sustris und Peter (Pieter, Pietro) Candid (de Witte, Candido) waren
zuerst in Florenz, bevor sie von Hans Jakob Fugger in Augsburg
abgeworben wurden und dort tätig waren, bis sie anschließend von den
bayerischen Herzögen gewonnen wurden. In München entwickelten die
niederländischen Künstler ein vielseitiges Schaffen.
Zunächst wurde die Burg Trausnitz in Landshut nach neuester Florentiner
Art ausgeschmückt, dann der Grottenhof und das Antiquarium der Residenz
in München gebaut bzw. umgebaut und mit Fresken und Skulpturen nach
internationalem Geschmack ausgestattet. Schließlich wurde die
Jesuitenkirche St. Michael errichtet und einheitlich gestaltet. Sie
sollte München zum Zentrum des gegenreformatorischen Katholizismus
nördlich der Alpen machen. Der Bildhauer Hubert Gerhard aus
Herzogenbusch schuf monumentale Plastiken und Brunnenfiguren in der
Nachfolge von Giovanni Bologna. Die Porträtmalerei lag bei Hans von
Aachen sowie in den Händen der Niederländer Engelhard de Pee aus
Brüssel und Abraham del Hel aus Antwerpen. Die Kupferstecherfamilie
Sadeler aus Antwerpen war über Frankfurt nach München gekommen, wo Jan,
Raphael d. Ä. und Ägidius zu bedeutendsten Stechern zählten. Hendrick
Goltzius wurde auf seiner Reise nach Italien zweimal von der Familie
Sadeler gastlich aufgenommen und widmete Herzog Wilhelm V. im Jahr 1594
seine »Meisterstiche«. Um diese Künstler herum sammelten sich
Gleichgesinnte wie der gelehrte Miniaturist Joris Hoefnagel aus
Antwerpen. Zum gleichen Kreis gehörten die Maler Hans von Aachen und
Christoph Schwarz.
Auch auf anderen Gebieten dominierten die Niederländer in
einflussreichen Positionen. In München wirkte bereits seit vielen
Jahren Orlando di Lasso aus Hennegau. Johannes Barvitius aus den
Niederlanden war Ratsherr Herzog Wilhelms V., bevor er Privatsekretär
von Kaiser Rudolf II. wurde. Der erste Provinzial der Oberdeutschen
Provinz des Jesuitenordens Petrus Canisius aus Nimwegen war ebenfalls
längere Zeit in München tätig. Als die zerrütteten Finanzen Herzog
Wilhelm V. im Jahr 1597 zum Rücktritt zwangen, welkte die Blüte, die
München auf dem Gebiet der Künste für kurze Zeit zu einem
internationalen Zentrum gemacht hatte.
Kuratorin: Thea Vignau-Wilberg

Joris Hoefnagel: Venus und Amor mit Pflanzen,
Insekten und kleinen Tieren, Hamburg, Privatbesitz.
Pinakothek der Moderne
Bayerische Staatsgemäldesammlungen
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